Der andere Kanal
Aus heutiger Sicht helfen einige wenige Publikationen aus bzw. über die 90 Jahre möglicherweise dabei, Geschehenes besser einordnen und verstehen zu können. Dazu gehört neben der Filmdokumentation "Funkstille" von Harald Quist vor allem auch die eindrucksvolle Feature-Produktion von Helmut Kopetzky aus dem Jahr 1993: "Der andere Kanal". Helmut Kopetzky dazu: "Ich habe eine Sendung darüber gemacht, wie der DDR-Rundfunk im Nullkommanix aufgelöst wurde. Das Ende war vielleicht unvermeidbar, aber menschlich war das eine große Tragödie." Auszüge aus dem Feature-Manuskript:
Erzähler: Das Todesurteil fiel am 13. September 1990 in der Volkskammer: Rundfunk und Fernsehen der DDR sind als föderale "Einrichtung" bis 31. Dezember 1991 weiterzubetreiben, sodann aufzulösen und in Anstalten des öffentlichen Rechts zu überführen.
Frau La.: Na - der Schwung war eigentlich so lange, bis der bittere Tag kam, wo wir die Kündigung kriegten, alle. Wir sind alle gekündigt worden !
Frau La.: Das haben wir nicht verstanden, daß wir, die eigentlich schon urewig hier sind, plötzlich gekündigt werden, und wir müssen uns neu bewerben. Wie Anfänger sind wir auch behandelt worden. Und ich muß Ihnen sagen: Ich habe 24 Jahre hier in dem Haus gearbeitet, und seit 73 mache ich hier 'ne Ingenieurtätigkeit. Und ich bin eingestuft worden als Mitarbeiter in der Stufe Null - als einer, der gerade von der Straße gekommen ist.
Frau Lo.: Ist Wahnsinn! Das war unter der Gürtellinie ! Das war so unter der Würde -- also, so mit einem Menschen umzugehen ! Das ist ... furchtbar ! Ich weiß nicht, ob das Feigheit vor dem Feind ist ...?
Frau Sch.: Da ist den Leuten überhaupt keine Chance gegeben worden. Sondern eigentlich sind sie gebrochen worden stärker als vorher. Aber eigentlich ist ihnen nicht nur das Rückgrat sondern auch noch das Genick mit gebrochen worden.
Frau Sch.: Zu DDR-Zeiten war's schon kafkaesk. Aber jetzt ist es kafkaesk hoch hundert.
Fr.M.: Wir haben einfach ... wir haben ein Jahr Freiheit erlebt. Das kann uns eigentlich niemand mehr nehmen ! Eigentlich ist das eines der schönsten Geschenke, das ich bekommen habe. Das ist vertan. Vertan ! Wär'ne gute Konkurrenz geworden !
Am 31. Dezember 1991 endete die Geschichte des Rundfunks der DDR. Wie funktionierte dort der Elitenwechsel? Mit welchen Argumentationen wurden Ostdeutsche von Leitungsfunktionen ausgeschlossen und wie wurden ostdeutsche Einrichtungen stillgelegt? Ein Erfahrungsbericht aus Berlin und Brandenburg von Frauke Hildebrandt: "Affirmative Action" im Osten | Hintergründe, Einwandstypen und Stand der Dinge
1991 | 2021
Wagner TV: "Am 31.12.1991 um Mitternacht endete der Artikel 36 des Einigungsvertrages der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, der vorsah, das Funkhaus Berlin, wie auch das Fernsehgelände in Berlin-Adlershof mit seinen Programmen zu schließen, wenn es nicht gelänge einiges zu privatisieren oder in föderale Strukturen zu überführen. Danach sah es für das einst DDR-weite Jugendradio DT64 mit seinen 18 UKW-Frequenzen nicht aus. Hier zu sehen der Jahreswechsel 1991/1992 festgehalten im Hi8-Video. Marion Brasch und Andreas Ulrich, das DT64-Moderatoren-Team jener Nacht, erinnern sich an die dramatische Zeit des Kampfs gegen die Abschaltung." | Direktlink zu YouTube
Eines der umstrittensten Kapitel der deutschen Wiedervereinigung ist die Umgestaltung des Staatsrundfunks der DDR und seine Integration in das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Bundesrepublik vom Herbst 1989 bis Ende 1991.
Vor dem Hintergrund des Systemwechsels erfolgten gleichzeitig die Überleitung und Auflösung des DDR-Hörfunks und -Fernsehens sowie die Konstituierung einer gesamtdeutschen Rundfunkordnung. Dieser komplexe Abwicklungs- und Neuordnungsprozess erforderte grundlegende Entscheidungen und medienpolitische Weichenstellungen. Unter Berücksichtigung der politischen und normativen Rahmenbedingungen analysiert die Autorin, wer die gestaltenden Akteure in Ost- und Westdeutschland waren, welche unterschiedlichen Handlungsmotive und Ziele sie verfolgten und welche Handlungsoptionen und Konflikte vorlagen. Die Arbeit legt offen, auf welche Weise die Transformation des Rundfunksystems vollzogen wurde und wie das strukturelle Ergebnis der Rundfunkneuordnung in Ostdeutschland zustande kam." Siehe auch "LeseTipps"
1951 - 1991 - 2021
Am 31. Dezember 1951 wurde eine erste kurze Sendung aus dem heutigen Block A "gefahren". Vierzig Jahre später - am 31. Dezember 1991 - war das Ende des ehemaligen DDR-Rundfunks besiegelt. Daran sei dreißig Jahre später noch einmal erinnert.
"Abgeschaltet" - Beitrag von Wolfhard Besser - ehemaliger DDR-Rundfunkjournalist | Auszug aus "Querköppe"
Filmische Dokumentation von Peter Reichelt - ehemaliger Toningenieur im DDR-Rundfunk | Direkt zu YouTube
*Vorschau auf die "Lange Nacht" | Weblink zu einem Archivbeitrag von 2002 im Tagesspiegel
Zurück zu "Geschichte"
Die Herausgeberin der Zeitreisen-Webpräsenz freut sich über Zeitzeugen:innen, die peu à peu helfen, die Seiten dieses Online-Portals mit historischen Dokumenten auch weiterhin zu füllen. || Entgegen genommen werden bereits aufbereitete digitalisierte Beiträge unter Einhaltung des Datenschutzes. || Stationen der virtuellen Zeitreise